„Pegasus-Projekt“: Journalisten und Politiker über
Smartphone-Software ausgespäht – Bericht
„Pegasus-Projekt“: Journalisten und Politiker
über Smartphone-Software ausgespäht – Bericht
14:43 19.07.2021
Hotline - SNA, 1920, 19.07.2021
© AP Photo / Jenny Kane
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Das Journalistenkonsortium „Forbidden Stories“ mit Sitz in Paris hat in
einer zusammen mit der Menschenrechtsorganisation „Amnesty
International“ durchgeführten Recherche über die Verwendung einer
Spionagesoftware gegen Journalisten, Aktivisten und Politiker berichtet.
Die Smartphones der Betroffenen seien mit Hilfe des Überwachungssystems
„Pegasus“ der israelischen Firma NSO Group ausgespäht worden, gab
„Forbidden Stories“ am Sonntag bekannt. Das System werde an Regierungen
verkauft und diene zur Verhinderung von Verbrechen und Terrorakten. Es
ermögliche einen kompletten Zugang zu den Inhalten des Mobilgeräts,
sodass sogar die Kamera und das Mikrophon aktiviert werden könnten.
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Die Non-Profit-Organisationen konnten laut eigenen Angaben Zugriff zu
mehr als 50.000 durchgesickerten Telefonnummern erhalten, die von
mindestens zehn NSO-Kunden als Ausspähziele ausgewählt worden seien. Bei
den Kunden handle es sich um Regierungen in Ländern wie Ungarn,
Aserbaidschan, Saudi-Arabien, Marokko, Indien oder Mexiko.
„Wie das ‚Pegasus‘-Projekt zeigen wird, haben viele sich nicht gescheut,
Journalisten, Menschenrechtsaktivisten, politische Opponenten,
Geschäftsleute und sogar Staatschefs als Ziele dieser invasiven
Technologie auszusuchen“, hieß es.
Nach der Einschätzung von „Forbidden Stories“ wurden Smartphones von
mindestens 180 Journalisten weltweit betroffen. Auch Personen aus dem
Umfeld des ermordeten saudischen Journalisten Jamal Khashoggi standen
demnach im Visier der Geheimdienste. Über eine angebliche Verwendung der
NSO-Software zum Ausspähen eines arabischen Aktivisten wurde bereits vor
fünf Jahren berichtet.
Basierend auf den Angaben der Organisation führte eine Reihe von Medien,
darunter „The Washington Post“, „The Guardian“ und „Le Monde“, eigene
Untersuchungen durch. Demnach waren die meisten Telefonnummern auf der
Liste in Mexiko registriert – über 15.000. Viele Nummern hätten aus dem
Nahen Osten gestammt, darunter aus Katar, den Vereinigten Arabischen
Emiraten, Bahrain und dem Jemen. Darüber hinaus seien mehr als 1000
französische Nummern und Hunderte ungarische auf der Liste gewesen.
„Die Analyse der von ‚Le Monde‘ und seinen Partnern ausgewerteten Daten
zeigt, dass – für die meisten NSO-Kunden – der Kampf gegen Terrorismus
und organisierte Kriminalität nur einen Bruchteil der Verwendung
ausmachte“, schreibt die französische Zeitung am Sonntag.
Der US-Whistleblower und ehemalige CIA-Mitarbeiter Edward Snowden,
dessen Enthüllungen im Jahre 2013 Einblicke in das Ausmaß der weltweiten
Überwachungs- und Spionagepraktiken von Geheimdiensten – überwiegend
jenen der Vereinigten Staaten und Großbritanniens – gegeben hatten,
machte auf die „Forbidden Stories“-Recherche aufmerksam.
„Was immer Sie gerade tun, lassen Sie es und lesen Sie das. Dieser Leak
wird die Geschichte des Jahres werden“, twitterte Snowden am Sonntag aus
dem russischen Exil.
Stop what you're doing and read this. This leak is going to be the story
of the year: (LINK: https://t.co/zhC0LN4TlC) pic.twitter.com/doo4HDDzxt
„Forbidden Stories“ und „Amnesty International“ testeten den Berichten
zufolge 67 Journalisten gehörende Smartphones, bei denen Spähangriffe
vermutet worden seien. Es habe sich ergeben, dass 23 der Geräte
tatsächlich infiziert gewesen seien, 14 weitere hätten Anzeichen einer
versuchten Attacke offenbart.
Ungarische Journalisten im Visier
Nach „Guardian“-Angaben stand auf der geleakten Liste eine ganze Reihe
von Menschen in Ungarn. Mit einigen von ihnen beschäftigen sich demnach
nationale Sicherheitsdienste oder Strafverfolgungsbehörden.
Durchgesickert seien aber auch Nummern von mindestens zehn Anwälten,
einem oppositionellen Politiker und mindestens fünf Journalisten.
Die Smartphones von Szabolcs Panyi und einem weiteren Journalisten der
Rechercheplattform Direkt36 seien erfolgreich mit der„Pegasus“-Software
infiziert worden. Ein ehemaliger NSO-Mitarbeiter soll gegenüber der
Nachrichtenseite bestätigt haben, dass Ungarn unter den Kunden des
israelischen Unternehmens gewesen sei.
Das Land soll das Programm 2017 nach dem Ungarn-Besuch des damaligen
israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu erworben haben, so
„Guardian“. NSO Group bestritt demnach, dass es bei der Wahl von Kunden
jegliche Weisungen der israelischen Regierung entgegennehme.
Das Plattform Direkt36, für die die betroffenen Journalisten arbeiten,
so wie auch „Forbidden Stories“, erhalten eigenen Angaben zufolge
Spenden von Open Society Foundations, einer Gruppe von Stiftungen des
Milliardärs George Soros. Der in Budapest geborene Investor wird von der
ungarischen Regierung als Staatsfeind betrachtet. Ungarns
Ministerpräsident Viktor Orbán erklärte Ende 2017, der Staat müsse gegen
Soros alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen – auch
geheimdienstliche.
NSO streitet ab
NSO Group konterte in einem Statement vom Sonntag, die Software werde
„ausschließlich an Strafverfolgungsbehörden und Geheimdienste von
geprüften Regierungen verkauft, mit dem alleinigen Ziel, durch
Verhinderung von Verbrechen und Terrorakten Menschenleben zu retten“.
Das 2010 gegründete Unternehmen bezeichnete den Bericht von „Forbidden
Stories“ als „voll von falschen Annahmen und unbestätigten Theorien“.
Die Quellen der Organisation hätten sie mit Informationen versorgt, die
keine Faktenbasis hätten.
„Die Vorwürfe sind so empörend und weit von der Realität entfernt, dass
NSO eine Verleumdungsklage erwägt.“
Es betreibe das System nicht und könne die Daten nicht sehen, betonte
NSO Group. Seine Technologie stehe „in keiner Weise mit dem
abscheulichen Mord an Jamal Khashoggi in Verbindung“ und sei zur
Ausspähung weder des saudischen Journalisten noch den im Bericht
genannten Familienmitgliedern verwendet worden.
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Deutsche Journalistenverbände fordern Handeln nach Ausspäh-Vorwürfen
Die Vorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union
(dju), Monique Hofmann, forderte am Montag laut einer offiziellen
Mitteilung Einschränkungen für den Export von Überwachungstechnologie.
„Autoritäre Staaten nutzen Pegasus, um kritische und oppositionelle
Stimmen zum Schweigen zu bringen“, betonte sie. „Ausspäh-Software darf
nicht an Staaten geliefert werden, in denen immer wieder Menschenrechte
verletzt werden.“
Erst in diesem Jahr habe die Europäische Union mit der Reform der
Dual-Use-Verordnung die Chance auf eine solche starke Regulierung
verpasst.
Nach Angaben deutscher Medien, die sich an der Auswertung von „Forbidden
Stories“-Dateien beteiligt hatten, waren Nummern deutscher Journalisten
nicht auf der Liste. Wie die Liste zu den Non-Profit-Organisationen
gekommen war, die sie dann mit den Medien teilten, blieb in den
Berichten offen – die „Süddeutsche Zeitung“ verwies hierzu auf den
Quellenschutz.
https://snanews.de/20210719/pegasus-smartphone-software-2895225.html