Infrastruktur
Es fehlt an Strom für all die Computer
Nicht Viren oder Softwarefehler machen den
Managern der Rechenzentren heute Sorgen, sondern Stromknappheit und
Wärmeüberfluss.
Von Walter Jäggi
Andreas Knoepfli stösst immer öfter auf ein
zuvor ungekanntes Problem. «Viele unserer Kunden können Projekte nicht
realisieren, weil es an den physischen Voraussetzungen fehlt. In den
Rechenzentren gibt es zu wenig Platz, zu wenig Strom, zu wenig
leistungsfähige Klimaanlagen», sagt der Geschäftsführer von Sun
Microsystems in der Schweiz. Alle Computerhersteller müssen daher statt
in Gigabytes und Mega-Operationen-pro-Sekunde heutzutage auch in
profanen Kilowatt und Grad Celsius rechnen.
Die Grössenordnungen des Problems illustriert
das kurz vor der Fertigstellung stehende neue Rechenzentrum von Swisscom
IT Services in Zollikofen BE: Es kann mit 4500 Kilowatt Stromleistung
versorgt werden – gleich viel wie eine Kleinstadt von 15 000 Einwohnern.
Bei Vollbetrieb wird die Stromrechnung rund 3 Millionen Franken im Jahr
betragen.
Der Strombedarf hat auch die Standortwahl
beeinflusst: «Diverse Standorte in der engeren Prüfung verfügten nicht
über die notwendige Versorgungsinfrastruktur», sagt
Swisscom-Pressesprecher Sepp Frey. Immerhin wird das neue Rechenzentrum
effizienter sein als die bisherigen: Während heute 30 bis 33 Prozent des
Stroms für die Kühlung benötigt werden, sollen es im neuen Gebäude im
Jahresdurchschnitt nur noch 20 Prozent sein.
Die Heizleistung eines Rechenzentrums ist
beträchtlich, bei Neubauten wird deshalb versucht, die anfallende Wärme
für die Gebäudebeheizung zu nutzen. Im Idealfall kann sie im Sommer
sogar für die kalte Jahreszeit gespeichert werden. Gespart werden kann
schon, wenn die Rechnerräume nicht wie bisher auf 22 Grad gekühlt
werden. Beim Rechenzentrum der Messe Basel ist man auf 26 Grad gegangen,
was den Stromverbrauch des Klimasystems gleich um 40 Prozent reduzierte.
Energieverluste an allen Enden
Energieverluste verursacht auch die
unterbruchlose Stromversorgung, die für jedes Rechenzentrum aus
Sicherheitsgründen unverzichtbar ist. Die Batterien, welche
Stromunterbrüche überbrücken müssen, und die Geräte, die Wechselstrom in
Gleichstrom umwandeln und umgekehrt, sind heimliche Verlustquellen.
Viele Server sind im Bereitschaftsmodus
(Stand-by), damit sie bei Bedarf sofort verfügbar sind; auch dieser
unproduktive Betriebszustand trägt zur Energieverschwendung bei. Selbst
während der Computer arbeitet, geht Energie verloren, weil die
Festplatte zum Beispiel ständig in Bewegung gehalten werden muss, auch
wenn sie gerade nicht genutzt wird.
Vom Strom, der in ein Rechenzentrum fliesse,
sagt David Douglas, Ökoverantwortlicher bei Sun, würden nur 50 Prozent
durch die Server und Speicher verbraucht. Und insgesamt wird von diesen
letztlich nur 1 Prozent in «Denkleistung» umgesetzt. Der ganze Rest ist
Abwärme.
Die Computerhersteller, von IBM bis Dell,
strengen sich daher an, sich auf eine «grüne Informationstechnik»
auszurichten. Dazu gehört neben dem Umgang mit den giftigen Materialien
bei der Herstellung und der Entsorgung die Reduktion des Stromverbrauchs
und des Kühlbedarfs. Diesen Bemühungen läuft der Kundenwunsch entgegen,
immer grössere Datenmengen zu verarbeiten, womit der Strombedarf steigt
und der Wärmeanfall.
Simple Banktransaktionen erhitzen ein
Rechenzentrum nicht, Audio- oder Videodaten, wie sie jetzt immer
häufiger anfallen, aber schon. Jedes E-Mail, das verschickt wird, lässt
in mehreren Rechenzentren den Stromzähler und die Klimaanlage schneller
laufen, jedes Youtube-Video kurbelt diesen Verbrauch um ein Mehrfaches
an. Das Rezept der Techniker, die Computer schneller zu machen, hilft
nicht weiter; wenn der Arbeitstakt des Rechners erhöht wird, erhöht sich
auch die Wärmeerzeugung.
Gesucht werden jetzt Computerarchitekturen,
bei denen möglichst wenig Verluste entstehen. Dies nicht nur deshalb,
weil grüne Informationstechnik Prestige bringt, sondern auch deshalb,
weil die Unternehmen inzwischen die Betriebskosten besser im Griff haben
wollen.
Lange galten die Stromkosten für die
Informatik als vernachlässigbar, sie wurden unter den allgemeinen
Gebäudekosten verbucht wie die Schneeräumung oder das WC-Papier. Als die
Controller begannen, den EDV-Managern die Stromrechnung zu präsentieren,
sei das für viele «ein Schock» gewesen, hat Andy Butler von der
Marktforschungsfirma Gartner festgestellt.
Die Betriebskosten fallen nämlich immer
stärker ins Gewicht, weil die Hardware immer billiger wird. Das gilt
nicht nur im Rechenzentrum, sondern auch bei den verteilten PCs, die in
der Summe ebenso viel Probleme mit Strom und Klima machen.
Vielleicht kommen nun die so genannten Thin
Clients, Arbeitsstationen ohne eigene Rechen- und Speicherfähigkeit, die
einen zentralen Server nutzen. An vielen Arbeitsplätzen ist ein PC mit
allen Funktionen gar nicht nötig und verbraucht, wenn er ständig läuft,
unverhältnismässig viel Strom. «Ein Bildschirm und eine Tastatur würden
oft genügen, heute, wo leistungsfähige Netze für die Verbindung zum
zentralen Rechner zur Verfügung stehen», sagt Sun-Manager Knoepfli.
l