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Wenn Handeln in Sekundenschnelle noch zu langsam ist, dann sind Computer am Werk. Und Menschen
Quelle : n-tv; Köln. Deutschland

Wenn Handeln in Sekundenschnelle noch zu langsam ist, dann sind Computer am Werk.

.Analysen(Foto: REUTERS)
Dienstag, 25. März 2014


Computer übernehmen Handel
Wie menschlich ist die Börse?
Von Samira Lazarovic
Vollautomatische Handelsprogramme, die auf geheimen Algorithmen basieren, Hochfrequenzhändler, die in Sekundenbruchteilen an- und verkaufen. Da muss ja nicht nur ein Uli H. den Überblick verlieren. Oder?
"Europäische Aktieninvestoren platzierten im vergangenen Jahr mehr Order über Computer als über Händler aus Fleisch und Blut", meldet die Nachrichtenagentur Reuters. "In den USA nehmen die Aufsichtsbehörden den Hochfrequenzhandel unter die Lupe", schreibt das "Wall Street Journal". "Der zu einer Haftstrafe verurteilte Bayern-Chef Ulrich Hoeneß hat irgendwann vollkommen den Überblick über seine jährlich etlichen tausend Devisengeschäfte verloren", tönt es quer durch die deutschen Medien.

Jede Sekunde zählt


Wer derzeit über Börsen und Computer nachdenkt, stellt sich nicht mehr die Frage, welcher Teil des Börsenhandels automatisiert ist, sondern welcher Teil noch von Menschenhand gemacht ist. Gleichzeitig treibt etwa der Hochfrequenzhandel mit seinen in Mikrosekunden getätigten Order die Transaktionen auf eine Taktzahl hoch, die für Privatanleger kaum nachzuvollziehen ist. Bereits 2011 gingen Marktexperten davon aus, dass 60 Prozent des deutschen Xetra-Handels auf ultraschnelle Handelsprogramme zurückzuführen sind. Wie viel Prozent mögen es heute sein? Und ist irgendwann die Grenze des Computeranteils am Börsenhandel erreicht?


Zuruf und Zettel waren gestern


Dr. Frank Herkenhoff, Leiter Media Relations Deutsche Börse AG
Bei diesen Fragen muss Frank Herkenhoff, Pressesprecher der Deutschen Börse Group lachen. "2014 sollte die Tatsache, dass Computer am Börsenhandel beteiligt sind, ebenso selbstverständlich sein, wie die Nutzung von Mobiltelefonen." Es sei eher die Ausnahme, dass eine Person manuell eine Ordermaske aufrufe, um einen Auftrag an der Börse zu platzieren. Große institutionelle Investoren wie Banken, Versicherungen oder Hedgefonds würden selbstverständlich computergenerierte Handelsprogramme nutzen. "Die Vorstellung von Händlern, die mit Zuruf und Zettel agieren, ist ebenso veraltet, wie die einer Auto-Fertigungsstraße, bei der die einzelnen Teile nicht mit Hilfe eines Roboters, sondern noch komplett per Hand montiert werden."
Durch die Schnelligkeit und den guten Mix aus verschiedenen institutionellen Anlegern wie Banken, Fondsgesellschaften und Versicherungen sowie einigen Millionen Privatanlegern aus 18 Ländern bringe der Handel aber sehr reale Kurse hervor, ist der Pressesprecher überzeugt. An den Kursen könne man ablesen, was die Masse über ein Unternehmen denke. Hinzu komme, dass mittlerweile Informationen weltweit gleichzeitig verfügbar sein. "Hatte beispielsweise  ein Dax-Unternehmen früher etwas Kursbewegendes mitzuteilen, wurde noch ein Zettel auf ein Faxgerät gelegt. Da hat es eine Weile gedauert, bis das bei jedem Investor ankam und im Kurs reflektiert wurde."


Der geheimnisvolle "Fat Finger"


Vollkommener Markt
Der vollkommene Markt ist ein ökonomisches Modell, in dem angenommen wird, dass alle Marktteilnehmer (Anbieter und Nachfrager) ausschließlich nach ökonomischen Grundsätzen handeln.
Dazu müssen einige Bedingungen erfüllt werden: Markttransparenz, Homogenität der Güter, Rationalität der Marktteilnehmer, unendlich schnelle Reaktion und freier Marktzutritt. In der realen Wirtschaft werden diese Bedingungen de facto nie ganzheitlich erfüllt. Der Handel an der Börse gilt als gute Annäherung an die Idee des idealen Marktes.


Klingt so, als ob der computergestützte Handel an der Börse den vollkommenen Markt geschaffen hat. Aber was passiert, wenn sich beispielsweise im Hochfrequenzhandel die Börsenprofis schlicht bei der Eingabe vertun und es zu einem "Flash Crash" wie im Mai 2010 kommt? Damals waren die Börsenkurse innerhalb von Minuten heftig eingebrochen. Als Ursache wurde eine Verkettung verschiedener Umstände vermutet: Ein Aktienhändler, der sich um mehrere Zehnerpotenzen vertippt hatte, eine Lawine von elektronischen Verkaufsorder durch das Fallen eines Limits und die Handelsaussetzung bei mehreren Handelssystemen aufgrund starker Kursdifferenzen.
"Der Mythos vom 'Fat Finger' ist einfach nicht totzukriegen", meint Herkenhoff dazu. Gerade am Anfang des Computerhandels in den 1990er Jahren mag das schon mal vorgekommen, einfach, weil die Funktionsweise der Computer und der Umgang mit ihnen noch nicht selbstverständlich waren. Seither hätten aber auch die Börsen und deren Teilnehmer Lernprozesse durchlaufen. Wenn sich ein Händler heute bei der Eingabe vertue, führe das nicht zwangsläufig dazu, dass es auch zur Ausführung der Order komme, da stünden mehrere Sicherheitsmaßnahmen davor. "Da kann jemand nicht nur mit dem Finger, sondern gleich mit der ganzen Faust draufhauen. Erst einmal müsste er bestätigen, dass er diesen Trade tatsächlich ausführen will, bevor etwas passiert. Und wenn der eingegebene Preis zu weit vom aktuellen Kurs liegt, wird der Handel automatisch unterbrochen."
Diese sogenannte Volatilitätsunterbrechung sei eine von mehreren Sicherheitsvorkehrungen, erklärt Herkenhoff. Dafür würden von Seiten der Börse "Leitplanken" eingezogen, die der aktuelle Preis weder nach oben noch unten durchbrechen dürfe. Diese "Leitplanken" werden ständig neu berechnet. "Werden sie durchbrochen, wird automatisch der Handel gestoppt. Dann haben alle Händler etwa zwei Minuten Zeit, diese Order anzuschauen und darauf zu reagieren." Wo die Leitplanken liegen, verrät die Deutsche Börse nicht, damit niemand dagegen spekulieren kann.
Erst wenn der Markt entscheide, dass der neue Preis für eine Aktie tatsächlich soweit vom alten entfernt sein soll, würde das nach der Handelsunterbrechung passieren, betont der Pressesprecher. "Die Aufgabe der Börse ist aber letztlich, den Handel zu ermöglichen. Wir sind weder per se dafür da, Kurssprünge zu deckeln, noch Kursstürze zu verhindern. Wir sorgen  für  eine sichere und stabile Infrastruktur, das ist unser Neutralitätsanspruch."
Schuld ist immer der Computer
Interessant sei aber die Wahrnehmung der Anleger, meint Herkenhoff. "Süffisant gesprochen könnte man sagen, wenn es runter geht, waren es immer die Computer, wenn es hoch geht, gab es natürlich gute, fundamentale Gründe. Es sind aber immer dieselben Computer und Akteure. 'Psychologische Schwellen' etwa lassen Computer völlig kalt, sie folgen nur den vorher eingegebenen Parametern."
Eben diese Rationalität wird von Befürwortern des algorithmischen Handels neben der höheren Transparenz, der verbesserten Liquidität und den geringeren Transaktionskosten ins Feld geführt. Doch nicht nur in guten, sondern halt auch in schwierigen Marktlagen kann diese Liquidität Trends verstärken.


Und egal, bei welcher Geschwindigkeit: Vollautomatisierte Handelssysteme sind immer nur so gut oder schlecht, wie die Menschen, die sie programmiert haben. Dass sich Hochfrequenz-Händler beispielsweise durch ihr schnelles Handeln ständig vor Privatanlegern drängeln können, bereitet auch der Bundesregierung Sorgen. Einem Gesetzesentwurf zufolge sollen einige Praktiken künftig als Marktmanipulation gelten. Dabei sollen etwa diejenigen bestraft werden, die gar nicht die Absicht haben zu handeln, sondern mit ihren Aufträgen nur die Börsensysteme stören oder andere Börsianer täuschen wollen. Als ein Auswuchs dieser Praktiken gelten etwa die "Mini-Flash-Crashes", bei denen Einzelwerte innerhalb von Sekunden bis zu 50 Prozent an Wert verlieren, nur um sich ebenso schnell wieder zu erholen.
Man müsse sich an die Börsenrechner gewöhnen, wie man sich dran gewöhnt hat, dass ein Navigationsgerät einen in einer fremden Stadt meistens ans Ziel bringen kann, meint Herkenhoff. Daran könnte man sich vielleicht tatsächlich gewöhnen. Aber was ist mit der Tatsache, dass die Börse - Hochfrequenzhandel hin oder her - immer noch so menschlich wie in den besten Tulpenzeiten ist?
Quelle: n-tv.de