Wann wird eigentlich Österreichs
Katastrophenwarnsystem aktiviert?
Wann wird eigentlich Österreichs Katastrophenwarnsystem aktiviert?
Über ein solides System sollen Menschen künftig bei Katastrophen gewarnt
werden. Das Ministerium will Anfang 2023 damit loslegen, in der
Wirtschaft sieht man einen längeren Zeitraum
Auch im Sommer 2022 kam es wieder zu extremen Wetterbedingungen. Cell
Broadcast soll in jeder Situation warnen können.
Foto: IMAGO/B&S/Bernd März
Stürme, Gewitter, Hochwasser – die Ereignisse der vergangenen Jahre
haben gezeigt, dass die Klimakrise auch hierzulande ihre hässlichen
Spuren hinterlässt. Um die Menschen in solchen Situationen zu warnen und
somit bestmöglich zu schützen, soll ein Katastrophenwarnsystem
eingerichtet werden, das entsprechende Nachrichten auf Handys
verschickt. Dabei kommt eine Technologie namens "Cell Broadcast" zum
Einsatz, die – im Gegensatz zu einer App – nicht nur auf Smartphones,
sondern auch auf älteren Geräten funktioniert.
So weit, so gut. Doch wann soll dieses System eigentlich eingesetzt
werden? Anfragen des STANDARD bei den verschiedenen Stakeholdern zeigen
eine gewisse Uneinigkeit in dieser Frage. Am heutigen Mittwoch wurde die
Begutachtung jener Verordnung abgeschlossen, welche auf Basis des
novellierten Telekommunikationsgesetzes die Details zum Einsatz von Cell
Broadcast regeln soll.
Datenschützer fordern Frist für Anbieter ...
Im Rahmen dieser Begutachtung übt die Datenschutzorganisation Epicenter
Works Kritik: In einem Blogpost mit dem Titel "Kommt das Warnsystem vor
der nächsten Katastrophe?" bemängelt man, dass unklar definiert sei,
wann das System umgesetzt wird und ob es dann technisch einwandfrei
laufen wird.
Der NGO zufolge sei der Betrieb des Warnsystems für Mobilfunkanbieter
nur "soweit technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar" vorgesehen.
Das könne bedeuten, dass "das Datum, ab dem der Betrieb wirklich
aufgenommen wird, und die Frage, ob dieser dann bereits
unterbrechungsfrei laufen wird, vom Ministerium offen gelassen wird", so
die Organisation in ihrem Blogbeitrag. Man fordert daher unter anderem,
die Mobilfunkanbieter innerhalb einer gesetzten Frist zur Errichtung des
öffentlichen Warnsystems zu verpflichten.
... Anbieter wollen Vorgaben vom Staat ...
Fragt man hingegen bei den drei großen Mobilfunkanbietern nach, so wird
ein gänzlich anderes Bild gezeichnet. Denn dort hieß es am Dienstag
unisono, dass man zwar die Errichtung eines öffentlichen Warnsystems
unterstütze und auch bereit sei, die Netzinfrastruktur auszubauen –
allerdings sei noch unzureichend definiert, welche technischen
Anforderungen an diese Systeme gestellt werden. Und solange dies nicht
klargestellt sei, könne man nicht mit dem entsprechenden
Beschaffungsprozess starten.
Unklarheit scheint zudem bei der Abdeckung der dadurch entstehenden
Kosten zu herrschen. Während man bei Epicenter Works annimmt, dass "die
Mobilfunkanbieter für die Errichtung des öffentlichen Warnsystems
vermutlich noch Geld vom Staat fordern werden", hört man von den
Unternehmen selbst, dass der Ersatz von Planungs-, Bau- und
Betriebskosten entweder noch völlig offen sei (Magenta) – oder gar, dass
kein Kostenersatz vorgesehen sei (Hutchison Drei). "Was wir brauchen,
ist ein detaillierter, sicherer Fahrplan", heißt es seitens Magenta.
... und der Staat hat mit allen gesprochen
Im für die Angelegenheit nun zuständigen Finanzministerium hört man
wieder anderes. Dort heißt es nämlich, dass man bereits im Vorfeld mit
diversen Stakeholdern – mit den Unternehmen ebenso wie mit den
Datenschützern – gesprochen habe und dass die Mobilfunkunternehmen auch
sehr wohl wüssten, welche Anforderungen an sie gestellt werden.
Wann die Umsetzung genau abgeschlossen sein wird, darüber scheinen sich
Wirtschaft und Politik nicht ganz einig zu sein: Die drei Unternehmen
nannten gegenüber dem STANDARD am Dienstag auf Basis der Erfahrung mit
ähnlichen Projekten einen Zeitraum von rund einem Jahr.
Ministerium pocht auf Anfang 2023
Vom Ministerium heißt es am Mittwoch in einer Presseaussendung wiederum,
dass der operative Betrieb für das erste Quartal 2023 geplant sei. Der
Systemaufbau beginne bereits, heißt es an späterer Stelle, daher könne
der Echtbetrieb aus heutiger Sicht im Jahr 2023 starten.
Dies hänge allerdings auch "von der Geschwindigkeit ab, mit der IKT
Komponenten lieferbar sind und wie schnell die Mobilfunkbetreiber und
warnenden Stellen ihre Infrastruktur aufbauen können", heißt es weiter.
Mehrere Akteure
Zudem schien am Dienstag offen zu sein, wie das System in der Praxis
verwaltet werden soll: Bei Hutchison Drei erwartete man, dass "der
Koordinationsbedarf zwischen drei Betreibern und elf Behörden eine große
Herausforderung wird", bei A1 sprach man gleich von insgesamt 15
Gegenstellen – für die es eine eindeutige technische Festlegung brauche,
welche entsprechend durch eine Verordnung vorgesehen werden sollte.
Seitens Epicenter Works hieß es im Rahmen der Begutachtung, dass die
drei Unternehmen wohl bilaterale Verträge mit neun Katastrophenbehörden
der Länder und dem Innenministerium abschließen müssten – die NGO schlug
stattdessen vor, das Warnsystem bei der RTR zu bündeln.
Auch hier wurden seitens des Ministeriums am Mittwoch Informationen
veröffentlicht: Cell Broadcast sei eine eigene Technologie, die nicht
auf SMS basiert. Daher erfordert der Aufbau des Cell Broadcast
Warnsystems die Errichtung einer eigenen Infrastruktur bei den
Mobilfunkbetreibern und bei den behördlichen Stellen, die Warnungen
auslösen können: und das werden die neun Landeswarnzentralen und das BMI
sein, heißt es in einer Presseaussendung.
Cell Broadcast: Ein längst fälliger Schritt
Der etwas schrägen Optik rund um Zeitplan, Finanzierung und
Verantwortlichkeiten zum Trotz scheinen sich jedoch alle Stakeholder
einig zu sein, dass es unbedingt ein derartiges Warnsystem brauche – und
dass Cell Broadcast das richtige Mittel für diesen Zweck sei.
Denn das System verschickt äußerst ressourcensparsam nur jene
Informationen, die wirklich nötig sind. Das ist von Vorteil, wenn die
Ressourcen aufgrund einer Katastrophe knapp sind, etwa im Fall eines
Cyberangriffs oder bei einem hochwasserbedingten Internetausfall – denn
in dem Fall können Cell Broadcasts auch über das verbliebene
Mobilfunknetz verschickt werden.
Weiters funktioniert das System wie bereits eingangs erwähnt auch mit
älteren Geräten, es werden keine Smartphones und Apps benötigt. Und es
können auf Basis der Standortinformationen der Netzbetreiber gezielt
Warnungen an alle Menschen verschickt werden, die sich in einem
bestimmten Gebiet befinden – wie etwa im Fall einer
Hochwasserkatastrophe. (Stefan Mey, 21.9.2022)
Update, 21.9., 11:28: Der Artikel wurde umfassend mit aktuellen
Informationen aus d
em Ministerium – etwa zum geplanten Starrt Anfang 2023 – ergänzt.
https://www.derstandard.de/story/2000139261967/wann-wird-eigentlich-oesterreichs-katastrophenwarnsystem-aktiviert