„Der Computer gewinnt immer“:
Werden Kampfjetpiloten wegautomatisiert?
„Der Computer gewinnt immer“: Werden
Kampfjetpiloten wegautomatisiert?
Kampfpilot der US-Luftstreitkräfte
(Symbolbild)
Die Flugbahn ist optimal berechnet, die
Flugmanöver werden auf den Millimeter genau geflogen, die Reaktion auf
das Einsatzgeschehen erfolgt in Millisekunden – ein computersimulierter
Luftkampf zwischen Mensch und Roboter hat gezeigt, dass der Beruf des
Kampfjetpiloten in Zukunft verschwinden könnte.
Es war ein Langzeitversuch, der klären sollte,
ob die Künstliche Intelligenz wirklich so schlau ist, dass sie einen
Menschen in einem Luftkampf schlagen kann. DARPA, die Forschungsstelle
des Pentagons, hatte mehrere Firmen beauftragt, einen KI-Piloten zu
entwickeln, der einen Kampfjet F-16 nicht nur fliegen, sondern auch in
einem Luftkampf erfolgreich einsetzen könnte. Seit vergangenem Herbst
traten die unterschiedlichen Steuerungsalgorithmen in einem Turnier
namens „Alpha Dogfight Trials“ gegeneinander an.
In der Qualifikationsrunde maßen sich die
Programme erst im Flugzeugsteuern und gingen dann zu Luftkämpfen über.
Ende des Sommers stand letztlich der Sieger fest. Der hatte sich somit
für den Zweikampf gegen einen Menschen qualifiziert. Der Kampf sollte
allerdings in einem Simulator ausgetragen werden, nicht in echten
Flugzeugen. Fünf Runden „flogen“ die KI und der erfahrene
Pilotenausbilder der amerikanischen Luftwaffe gegeneinander. Der Pilot
verlor sie alle.
In den ersten vier Runden scheiterte der
Mensch innerhalb von Minuten. In der letzten hatte er zu einer Revanche
angesetzt, indem er mit seiner Maschine so bodennah wie möglich
manövrierte und damit in der Tat etwas Zeit gewann. Abgeschossen wurde
er trotzdem. Verständlicherweise. Denn der Kampfpilot verfügt nur über
seine – wenn auch nach Maßstäben der US Air Force reiche – Erfahrung,
während die KI auf vier Milliarden Einsatzsimulationen zurückgreifen und
somit jeden weiteren Einsatzverlauf und jedes gegnerische Manöver im
Voraus erkennen konnte.
„Der Computer gewinnt immer, weil seine
Datengrundlage unermesslich größer ist“, erklärt der ehemalige
Kampfpilot Wladimir Popow im Sputnik-Gespräch. „In der Datenbank ist die
größtmögliche Anzahl von Flugmanövern und -bewegungen hinterlegt, die
der Rechner nicht nur präziser berechnen, sondern auch präziser
ausführen kann als der Mensch. Zum Beispiel: Jede Sekunde verarbeitet
die Steuerung neueste Daten zu Wind und Wetter, während der Pilot in der
Regel nur einmal am Boden erfährt, unter welchen Verhältnissen er
starten wird. Seine Manöver fliegt der Pilot dann nur nach Anzeige und
nach Gefühl.“
Ein gigantischer Plan
Als vollkommen realitätsnah ist der
computersimulierte Luftkampf der DARPA natürlich nicht zu werten. Der
Zweikampf zwischen Mensch und Maschine war Einschränkungen unterworfen:
beispielsweise durfte nur die Bordkanone als Waffe eingesetzt werden.
Dennoch hat das Ergebnis die Pentagon-Führung stark beeindruckt.
Mark Esper, der Pentagon-Chef, erklärte, schon
für 2024 seien gleiche Tests geplant – aber nicht im Simulator, sondern
in echten mit Künstlicher Intelligenz ausgestatteten Kampfflugzeugen.
Die Ergebnisse dieser Tests werden nach Ansicht des amerikanischen
Verteidigungsministers „tektonische Verschiebungen“ in seinem
Ministerium auslösen.
Die Absicht mag ebenso gewaltig wie
realitätsfern erscheinen, aber nicht zu vergessen ist, dass die „Alpha
Dogfight Trials“ nur ein kleiner Teil eines viel größeren
Forschungsvorhabens sind. Unter dem Namen „Air Combat Evolution“ (ACE)
fährt das US-Verteidigungsministerium ein Programm zur intensiven
Anwendung der KI mit dem Ziel, den Kampfwert der amerikanischen
Streitkräfte zu steigern.
Gefordert ist eine KI, die bei Bedarf die
Flugzeugsteuerung und das Treffen von Entscheidungen in einem Luftkampf
komplett übernehmen kann. Zudem muss die Künstliche Intelligenz über
autodidaktische Fähigkeiten verfügen: der Algorithmus muss von alleine
lernen können – wie ein Offiziersanwärter, der sich zum hochklassigen
Profi entwickelt.
Den Anfang soll eine KI in Kleinfluggeräten
machen. Die nächste Stufe: Unbemannte Remote-Carriers, die im Verbund
mit bemannten Kampfjets operieren. Danach sollen die virtuellen Piloten
sich andere Flugsysteme erschließen.
Die amerikanischen Experten erhoffen sich,
dass der Algorithmus unter Kampfbedingungen richtigere und schnellere
Entscheidungen wird treffen können. Auch ist die Elektronik
unvergleichlich resistenter gegen Belastungen, die im Flug auftreten
können: das einzige Hindernis zu noch mehr Wendigkeit von Kampfjets sind
bisher nur die Belastungsgrenzwerte des menschlichen Piloten.
Die russische Kampfdrohne Ochotnik
Aber so schnell wird die KI den Steuerknüppel
im Cockpit nicht übernehmen. Zehn Jahre werden die Entwickler wohl noch
mindestens brauchen bis zu einem einsatzreifen virtuellen
Kampfjetpiloten. Neben den USA arbeiten auch andere Weltmächte an
vergleichbaren Systemen.
Das russische Verteidigungsministerium hatte
bereits gezeigt, dass die Kampfdrohne S-70 „Ochotnik“ im Synchronflug
mit dem Kampfjet Su-57 operieren kann. Angedacht ist, die russische
Drohne zu einem komplett KI-gesteuerten Fluggerät weiterzuentwickeln.
Ansätze der KI-Steuerung sind aber auch schon
in den neuesten Kampfjets ab der Generation 4++ vorhanden.
Automatisierte Systeme erleichtern dem Piloten heute schon die
Entscheidungsfindung im Eifer des Gefechts.
„Auch in der Su-57 kommt ein automatisiertes
Steuerungssystem zum Einsatz. Ein elektronischer Helfer, der in
kritischen Situationen eingreift. Beispielsweise wenn Bordkomponenten
versagen, dem Piloten die Zeit davonläuft und die Belastungen
exponentiell zunehmen“, erklärt der ehemalige Pilot.
In solchen Situationen sucht die Maschine aus
dutzenden Handlungsoptionen die optimalen zwei oder drei aus, zwischen
denen der Pilot sich schnell entscheiden kann.
https://de.sputniknews.com/technik/20200923327990951-luftkampf-ki-einsatz/