Bundestrojaner
Politik
Der Bund will seine Trojaner selbst entwickeln.
(Foto: dpa)
Donnerstag, 20. Oktober 2011
Unabhängig von privaten FirmenBund will Trojaner entwickeln
Der Bund will offenbar darauf drängen, Trojaner künftig selbst zu entwickeln.
Damit wolle man unabhängig von privaten Firmen werden, heißt es. Laut einem
Medienbericht gab es offenbar Unregelmäßigkeiten bei der bisherigen
Auftragsvergabe für entsprechende Programme. Der Ex-Chef der Firma Digitask
wurde bereits wegen Bestechung verurteilt.
Die Innenminister von Bund und Ländern wollen in einer Telefonkonferenz über den
umstrittenen Einsatz von Spionage-Software zum Abhören von Online-Telefonaten
sprechen. Ein Thema sollen strengere staatliche Kontrollen der sogenannten
Trojaner sein.
Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger von der SPD und sein
niedersächsischer Amtskollege Uwe Schünemann von der CDU forderten vor einem
Einsatz unabhängige Kontrollen der Software. Sie sollte "zukünftig von einer
unabhängigen Stelle geprüft und zertifiziert werden", sagte Jäger der
"Westdeutschen Zeitung". Ähnlich äußerte sich Schünemann in der Zeitung "Die
Welt".
Der Bund will bei der Telefonkonferenz auf die Entwicklung von Trojanern durch
den Staat drängen. Das sagte der innenpolitische Sprecher der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Uhl, der in Halle erscheinenden
"Mitteldeutschen Zeitung". "Der Bund wird die Software künftig selbst
entwickeln", sagte er und fügte hinzu: "Der Bund braucht ein Kompetenz-Zentrum
zur Erforschung und Entwicklung solcher Software; zudem benötigt der Bund ein
Service-Zentrum, in dem er allen Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder
gegen Bezahlung Programme für hoheitliche Zwecke anbieten kann."
Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Hartmann,
sagte: "Der Staat muss die Programme selbst schreiben und kennen, was er
einsetzt. Es darf keine Software mehr von privaten Unternehmen geschrieben
werden." Hartmann forderte zudem "klarere Regeln für den Einsatz der
Quellen-TKÜ. Wir sollten die Strafprozessordnung entsprechend ändern." Mit Hilfe
der Quellen-TKÜ werden Telefonate, Mails und Chats im Internet überwacht.
Großaufträge ohne Ausschreibung vergeben
Auf der Konferenz könnte allerdings auch die Auftragsvergabe für
Trojaner-Programme auf die Tagesordnung rutschen: Nach einem Bericht der
"Frankfurter Rundschau" hat es möglicherweise schon hier Unregelmäßigkeiten
gegeben. Demnach haben einige Behörden Großaufträge ohne öffentliche
Ausschreibung an die umstrittene hessische Softwarefirma Digitask vergeben.
(Foto: dpa)
So bestellte das Zollkriminalamt laut Amtsblatt der Europäischen Union im Januar
2009 Hard- und Software zur Telekommunikationsüberwachung im Wert von gut zwei
Millionen Euro im "Verhandlungsverfahren ohne Aufruf zum Wettbewerb". Das
Zollkriminalamt teilte laut FR mit, die Beschaffungen seien ausnahmslos auf
Grundlage des gültigen Vergaberechts erfolgt. Mitbewerber von Digitask wollen
wegen eventueller Wettbewerbsverstöße klagen.
Dem Bericht zufolge hatte das Landgericht Köln bereits im Jahr 2002 den
damaligen Digitask-Chef zu 1,5 Millionen Euro Geldbuße und 21 Monaten Gefängnis
auf Bewährung verurteilt, weil er jahrelang Beamte des Zollkriminalamts in Köln
bestochen hatte. Diese hätten dafür bevorzugt Digitask-Geräte bestellt, so das
Gericht.
Der Verurteilte führe die Firma nicht mehr, heißt es laut FR aus
Behördenkreisen, und habe mit den Geschäften nichts mehr zu tun. Alleiniger
Gesellschafter von Digitask sei laut Handelsregister bis heute aber seine
Ehefrau. Dies bestätigte auch ein Digitask-Anwalt der Zeitung. Die Frau habe mit
der Geschäftsführung jedoch nichts zu tun.
Veröffentlichung durch CCC rechtswidrig?
Auch die Veröffentlichung des Trojaner-Quellcodes durch den Chaos Computer Club
(CCC) könnte nach einem Bericht der in Halle erscheinenden "Mitteldeutschen
Zeitung" rechtswidrig gewesen sein. Das Blatt beruft sich auf ein Gutachten des
Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages. Es erscheine "nicht
ausgeschlossen", dass die Veröffentlichung eine Strafvereitelung sein könnte,
heißt es darin. Aus Sicht von Experten könnten sich Kriminelle gegen die
Software schützen, seit der CCC den Quellcode vor knapp zwei Wochen
veröffentlich hatte.
Angesichts des Wirbels um die Trojaner und des neu aufgetauchten Computer-Virus
Duqu fordert der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) einen
Bundesinternetminister, der die Netzpolitik koordiniert. Es sei höchste Zeit für
solch einen Minister, "der die drängenden Probleme des digitalen Zeitalters von
der Sicherheit bis hin zum Datenschutz mit Nachdruck und aus einem Guss löst",
sagte BDK-Chef Andre Schulz der "Neuen Osnabrücker Zeitung".