Stört 5G den Flugverkehr? Warum das in den USA aufregt, in
Österreich aber kein Thema ist
Die Aktivierung von neuen Frequenzbändern
lässt Fluglinien vor "katastrophalen Folgen" warnen. Bei Mobilfunkern
zeigt man dafür wenig Verständnis
Führt der 5G-Ausbau in den USA zu Problemen
in der Luftfahrt?
Foto: JUSTIN SULLIVAN / AFP / GETTYS Es sind irritierende Nachrichten, die da zum
neuen Mobilfunkstandard 5G aus den USA kommen: US-Fluglinien, die vor
"katastrophalen Konsequenzen" warnen, ausländische Anbieter, die einen
Teil ihrer Flüge in die USA kurzfristig absagen. Verunsicherung bei
Fluggästen weltweit. All das nur, weil US-Mobilfunkbetreiber Anfang 2022
ihre 5G-Netze ausweiten wollten.
Ein Versuch der Erklärung Doch worum geht es dabei aus einer
technischen Perspektive eigentlich? Die Fluglinien befürchten, dass es
durch die Ausdehnung des 5G-Mobilfunks in das sogenannte C-Band zu
Störungen bei kritischen Systemen mancher Flugzeuge kommen könnte –
konkret beim sogenannten Altimeter, das für die Anzeige der Flughöhe
verwendet wird.
Dieses Altimeter funkt nämlich ebenfalls auf
dem sogenannten C-Band, konkret im Bereich von 4,2 bis 4,4 GHz. All das
ist ebenso unumstritten wie die Tatsache, dass die Funktion des
Altimeters für einen sicheren Flugverkehr unerlässlich ist – gerade wenn
die Sicht schlecht ist. So war etwa ein fataler Absturz einer
Turkish-Airlines-Maschine im Jahr 2009 auf ein defektes Altimeter
zurückzuführen.
Es ist alles sehr kompliziert Das klingt also zunächst äußerst
besorgniserregend und wirft die Frage auf, warum dieses Problem niemand
früher entdeckt hat. Im Detail ist die Sache dann aber doch ein bisschen
komplizierter. So muss zunächst betont werden, dass der Begriff "C-Band"
ein recht weites Spektrum umfasst, in dem allerlei unterschiedliche
Dinge funken. Bei der aktuellen Erweiterung des 5G-Netzes in den USA
geht es nun um jenen Teil des Frequenzspektrums, der zwischen 3,7 und
3,98 GHz angesiedelt ist.
Die Fluglinien befürchten, dass das zu nahe
an der Frequenz für Altimeter liegt. Bei den Mobilfunkbetreibern
versteht man diese Diskussion hingegen nicht. Immerhin würden weltweit
bereits in 40 Ländern sehr ähnliche Frequenzen für 5G genutzt, und zwar
ganz ohne jegliche Auswirkungen auf den Flugverkehr.
Österreich Eines davon ist Österreich. Angst davor, dass
hierzulande Flugzeuge aufgrund einer Störung durch 5G Probleme bekommen,
muss man trotzdem nicht haben, betont Funkexperte Gregor Wagner vom
Forum Mobilkommunikation auf Nachfrage des STANDARD. Generell sei die
aktuelle Diskussion aus technischer Sicht schwer nachvollziehbar. In
Österreich kommt aber noch dazu, dass der für 5G benutzte C-Band-Bereich
etwas anders liegt – und zwar zwischen 3,4 und 3,8 GHz.
Damit sei auch der Abstand zu von den
Altimetern genutzten Frequenzen dermaßen hoch, dass eine Störung
technisch komplett unmöglich sei. Es gibt aber noch ein besseres
Argument dafür, dass diese Kombination unproblematisch ist: Dieser
Bereich wird in Österreich bereits seit drei Jahren für 5G genutzt – und
zwar eben komplett ohne irgendwelche Vorfälle oder Störungen. Zudem
verweist Wagner darauf, dass etwa der Abstand zwischen Radiosendern und
Flug-Sprechfunk gerade einmal 10 MHz betrage, und auch das seit
Jahrzehnten völlig störungsfrei.
Diskussion in letzter Minute Unklar bleibt bei alldem, warum die
Diskussion jetzt in den USA so eskaliert – und zwar so spät. Immerhin
waren die Pläne der Mobilfunker seit langem bekannt. Die zugehörigen
Frequenzen wurden bereits im Vorjahr versteigert, der Protest der
Fluglinien erreichte aber erst Ende des letzten Jahres seinen Höhepunkt.
Die Folge: Der Start des erweiterten 5G-Netzes wurde nun bereits zum
dritten Mal verschoben. Freiwillig und mit großem technischem
Unverständnis für die Bedenken, wie die US-Mobilfunker unisono verlauten
lassen. Immerhin gebe es zu dem Thema mehrere Studien, die die
Unbedenklichkeit betonen würden. Zudem seien die Pläne seit mehr als
zwei Jahren bekannt gewesen.
Konsequenzen Bei den Fluglinien ist man hingegen im
Alarmmodus angekommen. So betont auch die AUA gegenüber dem STANDARD,
dass man aufgrund der Bedenken für aktuelle US-Flüge zum Teil die
Maschinen ausgewechselt hat. So komme für die Mittwochsverbindung nach
New York (Newark) nun eine Boeing 767 statt einer Boeing 777 zum
Einsatz. Damit folge man einer Empfehlung des Flugzeugherstellers.
Damit verweist man auf einen anderen
wichtigen Punkt: Es geht nicht um alle Flugzeuge, sondern um gewisse
Modelle, bei denen der Hersteller in dieser Hinsicht Befürchtungen hegt.
Wie gesagt: Belege dafür, dass es wirklich zu Problemen kommt, scheint
es bisher nicht zu geben. Es handelt sich also lediglich um eine Sorge
der Flugzeughersteller, dass manche älteren Altimeter Schwierigkeiten
haben könnten. Bei einem solch kritischen System ist aber natürlich
verständlich, dass man besondere Vorsicht walten lässt.
Die zentrale Frage ist insofern eigentlich,
warum all das erst jetzt ausdiskutiert wird. Immerhin hätte man schon
mehrere Jahre Zeit gehabt, potenziell problematische Altimeter zu finden
und auszutauschen, das scheint aber nicht passiert zu sein.
Eine Lösung? Ob die technischen Befürchtungen nun Sinn
ergeben oder nicht, klar ist jedenfalls, dass die Diskussion wirkmächtig
ist. Nachdem die Fluglinien das Szenario von massiven Ausfällen sowohl
bei Privat- als auch bei Transportflügen – und damit nicht zuletzt
Lieferprobleme – ins Spiel gebracht haben, scheint eine Einigung nun
fix: Die Mobilfunker verzichten fürs Erste darauf, die neuen Frequenzen
in der Nähe von Flughäfen zu verwenden – konkret in einem Radius von
rund drei Kilometern. Damit kommen sie der zentralen Forderung der
Fluglinien nach.
Interessenslage Dass sich die Provider nun kompromissbereit
geben, mag auch daran liegen, dass es dabei um viel Geld geht. So haben
AT&T und Verizon bei der Frequenzversteigerung 65 Milliarden Dollar
investiert. Mit den neuen Frequenzen sollen die Kapazitäten in den
5G-Netzen der beiden Anbieter deutlich ausgebaut werden. Das ist auch
deswegen dringlich, weil es dort aufgrund der starken Zunahmen von
5G-Smartphones infolge des Weihnachtsgeschäfts gerade eng wird.
Besonders dringlich ist das Thema aber für AT&T, wo man bereits
kommenden Monat das ältere 3G-Netz abdrehen will. (Andreas Proschofsky,
19.1.2022)