Quantencomputer erst in 20 Jahren?
Quantencomputer erst in 20 Jahren?
Schneller, besser, komplexer: Was Quantencomputer können, geht über die
Leistungen klassischer Rechner weit hinaus. Und doch werden sie diese
wohl nicht ersetzen. Wie ist der Stand der Dinge? Prof. Dr. Wolfgang
Wernsdorfer ist Physiker am Karlsruher Institut für Technologie. Im
Interview erzählt er von Qubits, spukhafter Fernwirkung und
Hirnspinnerei.
Herr Wernsdorfer, welche Chancen bietet die Quantentechnologie?
Inwiefern geht sie über herkömmliche Elektronik hinaus?
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In Kooperation mit der Helmholtz-Gemeinschaft, der größten
Wissenschaftsorganisation in Deutschland. Ihre Aufgabe ist es, durch
Spitzenforschung dazu beizutragen, große und drängende Fragen von
Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft zu lösen.
Das ist im Prinzip eine ganz einfache Frage. Die Idee der
Quantenelektronik ist, etwas zu machen, was mit klassischer Elektronik
nicht möglich ist. Dazu werden Phänomene genutzt, die ein klassisches
Objekt nicht zeigt. Drei Effekte sind dabei wichtig: Erstens das
Quantentunneln, zweitens die Vermischung oder Überlagerung von
Quantenzuständen und drittens die Verschränkung von Quantenbits, kurz
den Qubits. Quantenelektronik nutzt alle drei Ansätze und begründet eine
neue Rechenlogik, die zum Beispiel eine bessere Kryptographie, die
Verschlüsselung von Daten, ermöglicht.
Also Quantenbits oder Qubits statt klassischer Bits. Was ist das
Besondere an Qubits?
Im Unterschied zu klassischen Bits, die entweder eine Eins oder eine
Null speichern, können Qubits unendlich viele Mischzustände zwischen
Eins und Null annehmen. Trennt man zwei gekoppelte Qubits, zum Beispiel
zwei Photonen, dann bleibt ein Zusammenhang erhalten, selbst wenn die
zwei Photonen Lichtjahre voneinander entfernt sind. Sobald man den
Zustand des einen Qubits misst, ist direkt auch der Zustand des anderen
bekannt. Dieser Effekt nennt sich Verschränkung, und Einstein hat es
"spukhafte Fernwirkung" genannt.
Haben Sie für die spukhafte Fernwirkung einen Vergleich aus dem Alltag?
Mit Alltagserfahrung kann man das nicht begreifen. Doch Ausrechnen lässt
es sich einfach, und eben auch experimentell belegen. Da wird es schnell
philosophisch. Weltweit wird heute daran gearbeitet, wie man die
Verschränkung nutzen und daraus etwas bauen kann. Im Bereich der
Quantenkommunikation wird es sicherlich bald Anwendungen geben. Und in
Zukunft vielleicht auch einen sehr leistungsfähigen Quantencomputer, der
Probleme parallel sehr schnell lösen könnte.
Ein Unternehmen in Kanada, D-Wave Systems, bietet heute schon einen
Quantencomputer mit 2000 Qubits an.
Ja, die Firma verkauft den ersten Quantencomputer. Allerdings nutzt er
nicht alle Quanteneffekte. Der D-Wave Quantencomputer ist wahrscheinlich
nicht schneller als ein klassischer Computer. Trotzdem ist dieses D-Wave
System interessant, auch wenn der Ansatz unter
Quantentechnologie-Forschern noch umstritten ist.
Und wie beurteilen sie die Ankündigung von Google, Ende 2017 einen
50-Qubit-Quantenchip zu präsentieren?
ImageWernsdorfer fand heraus, welche Rolle die Gesetze der
Quantenmechanik für molekulare Magnete spielten, und konnte dadurch
elektronische Schaltkreise bauen.(Foto: Gabi Zachmann KIT)
Google macht etwas ganz anderes als D-Wave. Die wollen die Verschränkung
von Qubits nutzen. Verglichen mit D-Wave ist das ein Auto statt
einfacher Schuhe. Google will ein spezielles Problem lösen, das kein
klassischer Computer mehr rechnen kann. Damit ließe sich erstmals die
Überlegenheit von Quantencomputern belegen. Rein intellektuell ist das
interessant, selbst wenn dieses spezielle Problem, das Quanten-Chaos,
wahrscheinlich keine Anwendung hat.
Woraus bestehen Qubits eigentlich?
Da gibt es viele Plattformen. Man kann Lichtteilchen mit ihrem
Drehimpuls nutzen oder einzelne Ionen. Aber auch Festkörper-Qubits aus
Supraleitern gibt es, die sind jedoch relativ groß und könnten in einer
Sackgasse enden. Mit meiner Arbeitsgruppe konzentriere ich mich auf den
molekularen Bereich. Wir nutzen Quantenzustände von einzelnen Molekülen,
wollen sie verändern, kontrollieren und manipulieren. Meine Qubits sind
Spinqubits. Da sie so klein sind, bieten sie viel Potenzial. Zudem
könnten sie besser vor Störungen von außen geschützt sein. Denn wenn die
Umgebung in eine Quantenrechnung hineinpfuscht, wird das Ergebnis
zerstört.
Und wann könnten solche Ideen zu konkreten Anwendungen oder gar einem
echten Quantencomputer führen?
Quantencomputer werden die klassischen Computer nicht ersetzen, aber für
die Lösung spezieller Probleme ergänzen. Bevor wir zum Quantencomputer
kommen, werden neue empfindlichere Quantensensoren und Quantenuhren
gebaut. Und in einigen Jahren könnten Quantenschaltkreise neue
Materialien und Moleküle simulieren. Einen universellen Quantencomputer
sehe ich erst in ungefähr 20 Jahren.
Sie sind sich also sicher, dass ein Quantencomputer kommen wird?
Keiner kann dies heute sagen. Aber vor 20 Jahren wurden auch Experimente
mit Qubits für Hirnspinnerei gehalten. Also sollte man nicht zu
pessimistisch sein. Auf jeden Fall machen wir völlig neue Sachen,
eröffnen neue Felder der Wissenschaft. Und selbst wenn das Resultat
nicht den Erwartungen entspricht, macht es sehr viel Spaß, neue Wege zu
ergründen
.
Dieses Interview erschien zuerst bei helmholtz.de
Mit Wolfgang Wernsdorfer sprach Jan Oliver Löfken
Quelle: n-tv.de
http://www.n-tv.de/wissen/Quantencomputer-erst-in-20-Jahren-article19777324htmll
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