Neuer Rekord für Quantencomputer mit 20 Qubits
Neuer Rekord für Quantencomputer mit 20 Qubits
11. April 2018, 14:17
10 Postings
Zusammenarbeit von Forschern aus Innsbruck,
Wien und Ulm
Innsbruck/Wien – 2011 schufen Innsbrucker
Physiker mit 14
einzeln manipulierbaren Quantenbits (Qubits)
das größte vollständig verschränkte Quantenregister. Nun haben sie
gemeinsam mit Kollegen aus Wien und Ulm einen neuen Rekord aufgestellt:
Ihnen gelang es, ein solches System aus 20 individuell kontrollierbaren
Qubits zu schaffen, berichten sie im Fachjournal "Physical Review X".
Auf dem Weg zum Quantencomputer
Fragte man Rainer Blatt vom Institut für
Experimentalphysik der Uni Innsbruck und dem Institut für Quantenoptik
und Quanteninformation (IQOQI) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW),
wann denn der Quantencomputer komme, verwies er lakonisch auf den Keller
seines Instituts: Dort realisierte er 2011 einen solchen mit 14
verschränkten Ionen. Im kleinen Maßstab konnten sie damit bereits
Quantenrechnungen und -simulationen durchführen.
Einzelne in Ionenfallen gehaltene Atome, die
mit Lasern manipuliert werden können, gelten als vielversprechendes
Grundkonzept für die Realisierung praktikabler Quantenbits. Auf deren
Basis sollen Quantencomputer künftig ihr volles Potenzial entfalten und
bestimmte Probleme wesentlich schneller lösen können als klassische
Rechner. Zunutze macht man sich dabei die besonderen Gesetze der
Quantenphysik.
Qubits
Während die grundlegende Informationseinheit
des Computers das Bit ist, das exakt zwei Zustände einnehmen kann (0
oder 1), arbeitet der Quantencomputer mit Qubits. Diese Quantensysteme
gehorchen den Gesetzen der Quantenphysik und können daher nicht nur "0"
und "1", sondern auch beide Zustände gleichzeitig annehmen. Die Physiker
nennen dies Superposition.
Zudem müssen in einem Quantencomputer mehrere
Qubits miteinander verschränkt werden. Bei diesem von Albert Einstein
als "spukhafte Fernwirkung" bezeichneten Phänomen bleiben zwei
Quantensysteme über beliebige Distanzen miteinander verbunden. Was immer
man mit einem tut, beeinflusst augenblicklich auch den Zustand des
anderen.
Physiker können heute bereits eine große Zahl
an Teilchen verschränken, etwa in ultrakalten Gasen. Für
Quantenrechnungen muss man aber die einzelnen Qubits individuell
ansprechen und auslesen können – und das ist dem Team um Rainer Blatt
und Ben Lanyon nun mit der Rekordzahl von 20 Qubits gelungen. Die
Physiker vom IQOQI in Innsbruck haben dafür in einer Ionenfalle 20
Kalziumionen mit Hilfe von Laserlicht verschränkt.
Weniger Messungen erforderlich
Das Problem dabei ist der zuverlässige
Nachweis der Verschränkung so vieler Teilchen. Üblicherweise ist dafür
eine Vielzahl von wiederholten Messungen notwendig. Bei großen Systemen
mit mehreren Qubits bindet dies viel Zeit und Ressourcen bzw. wird rasch
unmöglich. Ein Team um Nicolai Friis vom IQOQI in Wien hat eine Methode
entwickelt, die nur wenige Messungen erfordert und deren Ergebnisse sich
leicht auswerten lassen. Zudem haben die Ulmer Kollegen eine komplexere
Nachweistechnik verwendet, die auf numerischen Methoden beruht.
So konnten die Wissenschafter beobachten, wie
sich die Vielteilchenverschränkung in dem 20-Qubit-System dynamisch
ausbreitet. "Die Teilchen werden zunächst paarweise verschränkt", so
Lanyon in einer Aussendung. Dann ließ sich mit den in Wien und Ulm
entwickelten Methoden die weitere Ausbreitung der Verschränkung auf alle
benachbarten Teilchendrillinge, die meisten Vierlinge und einige
Fünflinge nachweisen. Mehr ging nicht, dann wurde das System zu komplex,
um es mit bestehenden Techniken zu charakterisieren.
Der nächste Schritt
Das neue 20-Qubits-System eignet sich
jedenfalls bereits für konkrete Anwendungen wie Quantensimulationen oder
Quanteninformationsverarbeitung. Zufrieden sind die Physiker damit aber
noch nicht: Einerseits sollen die neu entwickelten Methoden zum Nachweis
der Quantenverschränkung weiter optimiert werden, um noch umfangreichere
Vielteilchenverschränkungen nachweisen zu können. Zudem wollen Blatt und
sein Team die Zahl der Quantenbits weiter steigern: "Unser
mittelfristiges Ziel liegt bei 50 Teilchen", sagte er. Damit könnte man
dann Aufgaben lösen, an denen die besten Supercomputer heute noch
scheitern. (APA, 11. 4. 2018)
Abstract
Physical Review X: "Observation of Entangled
States of a Fully Controlled 20-Qubit System"
https://derstandard.at/2000077741702-249/Neuer-Rekord-fuer-Quantencomputer-mit-20-Qubits